Einbindung Partner
Existenzangst
"Diesmal haben wir es mit einem besonders schwierigen Fall zu tun", sagt Herr Weber am Telefon. "Wir haben uns heute Morgen von Herrn Rosin getrennt. Er fand zuletzt in der Geschäftsleitung und bei seinen Kollegen keine Akzeptanz mehr. Wir machen uns jetzt jedoch ernsthafte Sorgen um Herrn Rosin und seine Familie. Er hat vor zwei Jahren gebaut. Seine Ehepartnerin setzt gerade wegen der Geburt des dritten Kindes mit ihrem Job aus. Das Ehepaar hatte sich in letzter Zeit schon häufiger die düstere Zukunft ausgemalt, die nach dem Jobverlust des Mannes entstehen würden. Ich möchte Sie bitten, gleich nach unserem Telefonat einen Termin mit Herrn Rosin zu vereinbaren."
Selbstbewusstsein
Ich kenne Herrn Rosin (43 Jahre) seit einigen Jahren. Er ist der Leiter des Finanz- und Rechnungswesens und des Controllings bei der Nova Maschinenbau GmbH in Bremen. Mein Anruf bei ihm bestätigt die ausgesprochen niedergeschlagene Stimmung. Wir vereinbaren für den nächsten Vormittag einen Termin gemeinsam mit seiner Ehepartnerin. Bei einer Tasse Kaffee höre ich mir die Nöte und Sorgen des Ehepaares an. Sie gehen beide davon aus, ihr Haus verkaufen zu müssen. Als er später genug Dampf abgelassen hat, lenke ich das Gespräch auf seine früheren Erfahrungen bei der Nova und bei seinen beiden vorherigen Arbeitgebern. Er beginnt zu erzählen, ich frage interessiert nach, bestätige ihn nonverbal in seiner Darstellung (aktives Zuhören). Binnen weniger Minuten wird aus dem Häufchen Elend ein fröhlicher, begeistert erzählender Manager, der sich körperlich aufrichtet und mit ausdrucksvoller Stimme und Körpersprache frühere berufliche Erfolgserlebnisse darstellt. Seine Gegenwart vergisst er eine gute halbe Stunde. Natürlich holt sie ihn dann wieder ein. Aber es bleibt auch die Realität seiner erfolgreichen Vergangenheit in seinem Bewusstsein haften.
Alter Job im Wandel
Herr Rosin war tatsächlich vor gut 3 Jahren von einem Personalberater per Direktansprache zur Nova geholt worden und hatte hier anfangs "einen guten Job" gemacht. Als jedoch das Jahr 2012 deutlich negativ abgeschlossen wurde, verbreitete sich bald ein frostiges Klima. Schuldzuweisungen und Reinwaschungen standen auf der "hidden agenda". Dem war Herr Rosin als guter Fachmann nicht gewachsen. Seine Zahlen und Analysen in den präsentierten Charts wurden regelmäßig von den anderen Fachbereichen verrissen und mit eigenen Zahlen konterkariert. Schließlich waren seine Auftritte auch nicht mehr tragbar. Zwei Tage später arbeiten wir in meinem Büro in Hamburg die beruflichen Erfolge, die fachlichen und persönlichen Stärken und die speziellen Erfahrungen von Herrn Rosin heraus und erstellen innerhalb von 14 Tagen eine "Verkaufs-Mappe".
Stärken und Schwächen
Er ist über den positiven Inhalt erstaunt. "Ja, aber nun bin ich rausgeflogen und ehrlich gesagt, zu recht. Meine Auftritte in den letzten Monaten endeten regelmäßig in einem Desaster. Wer soll mich unter diesen Voraussetzungen als kfm. Leiter noch einstellen? Die fragen doch auch bei der Nova nach." "Sicher, damit müssen wir rechnen. Wir stellen in Ihrer Verkaufs-Mappe Ihre Stärken und Ihre nachweisbaren Erfolge als Manager dar. Ihre Schwächen im Umgang mit Macht und als firmeninterner Politiker werden wir in den nächsten Wochen intensiv angehen. Dabei arbeiten wir auch Ihre jüngsten traumatischen Erlebnisse auf. Außerdem müssen wir eine Position finden, in der die Durchsetzungskraft nicht höchste Priorität hat. Sie werden Ihren Weg finden, sich in Management-Teams zu behaupten. Im Übrigen brauchen sie im Vorstellungsgespräch eine echte Antwort auf die häufig gestellte Frage nach Ihren Schwächen. Was meinen Sie, wie überzeugend es wirkt, wenn Sie selbstkritisch und gleichzeitig selbstbewusst darstellen, wie Sie an Ihren Fähigkeiten im positiven Umgang mit dem Faktor Macht arbeiten?"
Team
Frau Rosin ist ein ganz wichtiger Part in diesem Prozess. Wir laden sie ein, an einer unserer Sitzungen in Hamburg teilzunehmen. Sie integriert sich in die positive Arbeitsatmosphäre und hält ihrem Mann in unserem Prozess den Rücken frei. Frau Rosin wird damit zu einem wichtigen Mitglied unseres Teams, das an der beruflichen Neuorientierung ihres Mannes arbeitet.
Neuanfang
Das gezielte Coaching in Richtung Durchsetzungsgeschick läuft parallel zu den Bewerbungsaktivitäten - dem Jobhunting. Ein Problem besteht noch darin, Herrn Rosin mit positiver Ausstrahlung in die Interviews zu bringen. Denn natürlich holt ihn hin und wieder die Existenzangst und die Erinnerung an die jüngste Vergangenheit ein. Hier hilft ein kleiner Trick aus meiner Fortbildung - die Ankertechnik. Auch dieses Ankern klappt bei Herrn Rosin sehr gut. Nach etwas mehr als drei Monaten liegen ihm zwei Angebote von Firmen vor, die er problemlos täglich mit dem Auto erreichen kann. Das Gehalt liegt auf dem bisherigen Level. Er ist heute noch zufrieden bei dem neuen Unternehmen tätig.